ist das zumutbar?

Dezember 2024

Bei VW bahnt sich ein großer Tarifkonflikt an, der Umbau des Konzerns - der nicht nur notwendig ist, sondern auch kommen wird, egal wie - trifft auf unterschiedlichste Interessen und Interessengruppen, die alle nicht ehrlich sind und nur den kurzfristigen, eigenen Erfolg und Vorteil im Auge haben.

Eine immer mehr um sich greifende Unsitte, denke ich.

Ich denke aber auch, kann man dem Normalbürger die Wahrheit zumuten, versteht er das überhaupt?

Ich bin immer wieder überrascht, wenn ich z.B. erkläre, dass die effektive Nutzungszeit eines privaten PKWs bei 5% und weniger liegt und nach anfänglichem Erstaunen oder Widerrede erkannt wird, dass es tatsächlich so ist, dass selbst von gut bis sehr gut ausgebildeten Menschen die Zusammenhänge von Systemen und die teilweise einfache Mathematik verschiedener Zusammenhänge dahinter nicht oder nur unzureichend verstanden werden.

Um auf das ursprüngliche Thema zurückzukommen, ich würde mir wünschen:

  • dass ehrlich kommuniziert wird, dass die NUR 800.000 Beschäftigten in der Automobilindustrie sich stark reduzieren werden auf ca. 20-30%; nein, nicht um 20-30%, sondern um 20-30%; das sind also bald nur noch 160.000 - 200.000 Beschäftigte.
  • dass ehrlich kommuniziert wird, dass deshalb ein intensiver Umbau der Infrastruktur ansteht; auch hier nicht die Frage ob, sondern wie
  • dass ehrlich kommuniziert wird, dass die Sozialkassen ein Problem bekommen, wenn wir die notwendigen Veränderungen, Anpassungen und Investitionen nicht vornehmen
  • dass der Investitionsstau (“Märchen von der Schuldenbremse”) endlich aufgelöst wird
  • dass Konservatismus, Traditionalismus und Kulturpessimismus sich selbst entlarven und ad absurdum führen.

Nehmen wir die erste Aussage und schauen, woher die Vorhersage kommt:

Es ist unbestritten, dass Elektrofahrzeuge in Zukunft die überwiegende Anzahl ausmachen werden; allein die Effizienz des Antriebs begründet dies. Ein normal denkender Mensch wird nicht den doppelten Preis bezahlen, um von A nach B zu kommen, wenn er dies auch für den einfachen Preis tun kann.
Autonom fahrende Fahrzeuge werden im Straßenbild selbstverständlich und in der Mehrheit sein.
Die Fahrleistung pro Jahr wird mindestens das 5-6-fache der heutigen durchschnittlichen Jahresfahrleistung pro Fahrzeug betragen.
Deshalb werden nur etwa 20% der Fahrzeuge benötigt.
Dadurch werden viel weniger Arbeitskräfte für den Fahrzeugbau benötigt (aber auch nur für diese spezifischen Tätigkeiten).
Dadurch werden auch weniger als 20% des Raumes für diese Fahrzeuge benötigt (weil ein Fahrzeug entweder steht oder fährt; der Stehplatz, äh Verzeihung, Parkplatz vor der Firma wird nicht mehr benötigt, die Garageneinfahrt und die Garage werden nicht mehr benötigt, die Parkplätze in den Einkaufszentren und vor den Geschäften, Fitnesscentern, Friseursalons usw. werden nicht mehr benötigt; einfach mal zu Ende denken).

Ohgottohgottohgott die vielen Arbeitslosen, wer soll das alles bezahlen?
Ohgottohgottohgott; äh, wir haben doch gerade einen Fachkräftemangel, oder? Das ist doch ein Allgemeinplatz, oder?

Wenn ich gut ausgebildete Fachkräfte in der Automobilindustrie habe, können die dann nie wieder was anderes lernen, arbeiten? Das glaube ich nicht. Ich schätze, dass 50 Prozent sofort eine neue Arbeit finden. Knapp 30 Prozent der deutschen Beschäftigten in der Automobilindustrie arbeiten in Forschung und Entwicklung.

Und hier kommt uns jetzt ein weiteres Zukunftsproblem zugute: die Demografie, die insgesamt natürlich eine riesige Herausforderung bleibt, die auch einmal deutlicher kommuniziert werden muss.

Bis 2030 werden etwa 4 Millionen Babyboomer in Rente gehen, bis 2035 sogar 20 Millionen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer; da wir derzeit 46 Millionen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer haben, also ~40%; o.B.d.A., können wir wohl davon ausgehen, dass dieses Verhältnis auch für die Automobilindustrie gilt.

40% gehen also in Rente, bleiben 10% (also 800.0000*(100-20)%*10%=32.000 klingt gar nicht mehr so dramatisch, oder?), die qualifiziert werden müssen oder eben arbeitslos bleiben, warum nicht. Wir hatten 2005 in Deutschland ca. 5 Millionen Arbeitslose (11-12%), heute sind es 5-6%, also ca. 2,5 Millionen: waren wir 2005 pleite, das Land ging unter, alle mussten unter der Brücke schlafen? Gut, wenn es nach Döpfner und seinem BILD-Imperium geht, war das damals Dystopie, aber wer nimmt die Herren ernst?

Wie man sieht, werden die Menschen wieder mit Horrorszenarien und Angstmache verunsichert und die eigene Agenda verfolgt.

Für diese Zukunft der Mobilität - und das Beschriebene ist nur ein kleiner Ausschnitt - müssen wir die Infrastruktur umbauen.
Parkplätze werden zu Grünflächen, dafür brauchen wir Tiefbauer und Gärtner.
Parkhäuser werden zu Wohnungen, dafür braucht es Handwerker.
Garagen werden zu Hobbykellern, dafür braucht man Material und vielleicht Handwerker, wenn nicht DIY.
Aus Garageneinfahrten werden Grünflächen und ein schöner Vorgarten.
Parkplätze in den Straßen einer Stadt/Vorstadt werden zu Grünstreifen mit Platz für Tisch und Stühle für das neu angesiedelte Café.
Firmen können auf dem Gelände expandieren; auf dem ehemaligen Mitarbeiterparkplatz.
Und so weiter und so fort.

Und so wird Zukunft daraus, so geht Vorausdenken und mit der Zeit gehen, so geht Innovation.

Und eben nicht im Gleichschritt marschieren, wie es sich manche CxU-Politiker wie Spahn und Konsorten wünschen.

Aber ob man das dem normalen Bundesbürger vermitteln kann, der das geistig aufnehmen und verarbeiten kann, das ist die spannende Frage, auf die ich bisher immer geantwortet habe: Ja, klar, der ist nicht blöd.
Aber bei bestimmten Entwicklungen bin ich mir nicht mehr sicher.

Es ist auf jeden Fall vernünftig und es muss passieren.